Aus der Heimat vertrieben

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Bruno Helgert vor dem Ausstellungsplakat "Ankunft in Deutschland"

Erinnerungen an das Sudetenland der Großeltern von Bruno Helgert

Während am Pfingstwochenende der 63. Sudetendeutsche Tag in Nürnberg stattfand, konnten sich Besucher der Schlossklinik Rottenburg über die Geschichte der „Sudetendeutschen Sozialdemokraten“ informieren. Der SPD-AK Labertal hat diese Ausstellung, die auf 40 Tafeln die Geschichte der im Jahre 1919 von Josef Seliger gegründeten „Deutschen Sozialdemokratischen Arbeiterpartei“ (DSAP) widergibt, erstmals in das Labertal geholt.

Anlässlich dieser Ausstellungsreihe, erinnert sich auch Bruno Helgert, Vorsitzender des Vereins „Die G´müatlichen Rottenburger“ und stellvertretender Vorsitzender der SPD Rottenburg an die Erzählungen seines Großvaters, der aus dem Sudetenland vertrieben wurde. Auf eigene Erinnerungen kann er nicht zurückgreifen, er selbst war bei der Vertreibung gerade einmal ein Jahr alt, als er zusammen mit der 26jährigen Mutter Julia und ihren Eltern die Heimat im Landkreis Tachau verlassen musste und Quartier bei einem Landwirt in Oberhornbach fand.

Der Großvater Max Helgert wurde 1888 geboren (gestorben 1982 in Rottenburg) und wuchs in Waldheim (Landkreis Tachau) im Sudetenland auf. Am 26. April 1945 sei die Heimatgemeinde von den Amerikanern besetzt worden, Hitlerbilder und Hakenkreuzfahnen seien kurz vorher von der einheimischen Bevölkerung verbrannt worden. Gute Erinnerungen habe er an die Amerikaner gehabt, so Max Helgert, denn sie hätten auch lange entbehrte Lebensmittel verteilt.

Im Mai seien die Tschechen gekommen, Hausdurchsuchungen, Plünderungen und Festnahmen seien erfolgt. Die Familie Helgert musste einen Radio mit Batterie, ein Baßflügelhorn, eine Klarinette und das Fahrrad abliefern. Sicherheitshalber habe der Großvater den Revolver eingefettet und in einem Tonkrug versteckt, im Wald vergraben, weil er ihn nicht abliefern wollte. Die Lebensmittel wurden auch weiterhin mit Karten rationiert, allerdings mit geringeren Mengen: So habe man lediglich Anspruch auf 150 Gramm Brot pro Tag und 600 Gramm Fleisch und Wurst im Monat gehabt. Das Geld wurde in den Gegenwert tschechischer Kronen umgetauscht, allerdings nur in Gutscheinen. Im März 1946 sei den Menschen dann das Getreide und das Vieh weggenommen worden, sie mussten ihre Häuser verlassen, suchten Zuflucht im Wald und als sie heimkehrten, waren die Türen aufgebrochen, das Vieh weg und „zum Mitnehmen war nichts mehr da“, wie es in den Erinnerungen des Großvaters steht. Am 2. April 1946 kehrten dann Max und Maria Helgert (1894 – 1986) der Heimat den Rücken und fanden in der Oberpfalz eine neue Bleibe. Beide arbeiteten in der Landwirtschaft mit und hatten so wenigstens etwas zu essen und ein Dach über dem Kopf. 1950 konnten die beiden Eheleute in einem Sägewerk arbeiten und einen eigenen Hausstand gründen und siedelten 1957 nach Rottenburg über.

Die alte Heimat haben sie zwar nie vergessen, aber auch nie wieder gesehen. Bruno Helgert hat sich nach dem Mauerfall auf Spurensuche im alten Sudetenland begeben, aber die Ortschaft wurde dem Erdboden gleich gemacht und verschwand so von der Landkarte.

Die Ausstellung über die Seligergemeinde und die Sudetendeutschen Sozialdemokraten ist tagsüber in der Schlossklinik Rottenburg zu besichtigen und noch bis zum 10. Juni zu sehen. Ausstellungskataloge können an der Pforte erworben werden.